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Weihnachtsdekoration, Licht in dunkle Köpfe und das Weihnachtshaus-Virus

Eigentlich hat das ja alles mit Mustafa angefangen. Also das mit der Weihnachtsdekoration unseres Hauses. Oder schon früher? Puristen und Verfechter des Weniger-ist-mehr müssen jetzt tapfer sein.

Mit Mustafa Jamal bei den singenden Pinguinen von Leurs. (Foto: Klaus Maresch)
Mit Mustafa Jamal bei den singenden Pinguinen von Leurs. (Foto: Klaus Maresch)

WEIHNACHTSMARKT BONN (BAFMW) – Eigentlich hat das ja alles mit Mustafa angefangen. Also das mit der Weihnachtsdekoration unseres Hauses. Oder schon früher? Puristen und Verfechter des Weniger-ist-mehr müssen jetzt tapfer sein. Viele Besucher unseres Hauses haben ja schon gesehen, wie wir Licht in die Dunkelheit bringen mit der hell erleuchteten Fassade. Und das hat Gründe.

Jedenfalls war es im Herbst 2015, als unser Haus, in dem das Bundesamt für magische Wesen und dessen Verlag seinen Sitz hat, durch Mustafa und einer kleinen Weihnachtsdekration den ersten Schritt in eine weitreichende und andauernde Veränderung erfuhr. Und diese Veränderung heißt Weihnachtsdekoration und Weihnachtshaus. Aber auch Licht in die Dunkelheit bringen, in dunkle Köpfe.

Vorab, das sei gesagt, hatten wir, bedingt durch unsere Teilnahme am Weihnachtsmarkt Bonn, eigentlich nie die Zeit gefunden, unser Haus weihnachtlich zu dekorieren oder gar einen Weihnachtsbaum aufzustellen. Und der Bedarf an Weihnachtsdekoration war auch gar nicht vorhanden. Wenn man auf dem Weihnachtsmarkt Bonn rund fünf Wochen tagaus tagein mit Weihnachtsliedern beschallt wird, hat man irgendwann mit Weihnachten nicht mehr wirklich etwas am Hut. Kirche? Also bitte. Geh mir weg mit dem Laden. Religion interessiert uns höchstens als Inspiration und Quelle für Fantasyliteratur.

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Die erste bescheidene Weihnachtsdekoration unseres Hauses

Welcome Santa - Weihnachtsdekoration für das BAfmW-Weihnachtshaus Bonn (Foto: Klaus Maresch)
Welcome Santa – Weihnachtsdekoration für das BAfmW-Weihnachtshaus Bonn (Foto: Klaus Maresch)

Es begann damit, dass Mustafa bei uns einzog und eine Bienenwachskerze ins Fenster stellte. Wir hatten eine Wohnung über dem Verlagsbüro frei und wir wollten unseren Teil dazu beitragen, dass Flüchtlingen geholfen wird. Für zwei junge Männer war Platz bei uns und als erster zog Mustafa J. ein. Anfangs saß ein verschüchterter und verängstigter junger Mann bei uns, der nachts Albträume hatte und mit den Dämonen seiner Flucht und Erlebnisse kämpfte.

Beim ersten Treffen bekam er kaum ein Wort heraus und traute sich nicht, etwas zu sagen. Er konnte, obwohl wir in ein arabisches Restaurant gegangen waren und ihn eingeladen hatten, noch nicht einmal etwas essen. Wir schrieben ihm daraufhin einen Brief, ließen ihn ins Arabische übersetzen und erklärten ihm, was wir zu leisten imstande wären, um ihm zu helfen, hier einen Platz mit einer Perspektive für sein künftiges Leben zu finden.

In der Flüchtlingsunterkunft in Rösrath konnte er nicht bleiben. Jungs wie er, die Religion und Moschee nicht zum Mittelpunkt ihres Lebens machen wollten, wurden und werden von frommen bzw. Hardcore-Muslimen drangsaliert und religiös belästigt. Bevor Sie als Leser jetzt beginnen, auf “den” Islam zu schimpfen, wir können Ihnen auch zahlreiche Beispiele mit christlichen Zusammenhängen nennen, wo “im Namen des Herrn” junge Menschen drangsaliert, geschändet und ermordet werden.

Deswegen halten wir von “Gott” … Abstand. Größtmöglichen Abstand. Der Typ und sein Fandom geweihter Röckchenträger kommt uns nicht ins Haus.

Wie schon gesagt, Mustafa stellte, kaum dass er hier eingezogen war, ein paar Kerzen auf. Er gab seiner Wohnung eine persönliche Note und machte sie wohnlich. Wir machten mit ihm Einkäufe, zeigten ihm, wo es in der Umgebung alles für das tägliche Leben Notwendige gab. Dann war da plötzlich ein Weihnachtsstern in seiner Wohnung. So ging das los mit der Weihnachtsdekoration.

Seit zwanzig Jahren der erste Weihnachtsbaum

Weihnachtsbaum mit Figuren und roten Kugeln - eine Idee für die Weihnachtsdekoration für das BAfmW-Weihnachtshaus Bonn (Foto: Klaus Maresch)
Weihnachtsbaum mit Figuren und roten Kugeln – eine Idee für die Weihnachtsdekoration für das BAfmW-Weihnachtshaus Bonn (Foto: Klaus Maresch)

Nun stammt Mustafa aus Mossul und er erzählte uns, dass er für seine Familie, die in etwa so muslimisch ist wie der durchschnittliche rheinische Katholik darauf hört, was der Papst sagt, zu Weihnachten das Haus immer dekoriert hätte. Weihnachten wurde innerhalb der Familie auch als Tag begangen, an dem sich die Familie traf. Und Mustafa dekorierte auch für seine Nachbarn.

Ich hätte gewarnt sein sollen. Ehrlich! Arglos nahm ich ihn mit zu einem Besuch der Weihnachtsabteilung bei Obi. Es war jetzt nicht so, dass man ihn mit Gewalt dort hätte wieder herausziehen müssen. Das nicht. Aber viel hat nicht gefehlt.

Ein Ergebnis dieses Besuches war, dass Mustafa unbedingt einen Weihnachtsbaum haben wollte. Völlig entgeistert sahen mein Mann und ich uns an. Aber gut, dachten wir, dann kommt eben ein Weihnachtsbaum ins Haus. In den vergangenen zwanzig Jahren hatte kein Weihnachtsbaum den Weg in die Estermannstraße 139 in Bonn gefunden. Und plötzlich waren da Lichterketten und Weihnachtskugeln und Weihnachtsgirlanden, die etwas schüchtern im ersten Stock aus dem Fenster hingen. Erstes weniges Licht strahlte am Abend aus den Fenstern.

Ich bin überzeugt, dass das etwas Ansteckendes ist. Es muß nicht unbedingt so weit gehen wie in -> Stenkelfeld – hören Sie mal rein bei der Gelegenheit. Außerdem hatte Obi da plötzlich eine Palette mit Lichterketten stehen. Und irgendwie fanden 15 Lichterketten mit je 768 LEDs den Weg an die Fassade unseres Hauses. Von da an war es zu spät. Seitdem ist nichts mehr zu retten.

Die Fassade unseres Hauses

Das weihnachtlich dekorierte Bundesamt für magische Wesen. (Foto: Klaus Maresch)
Das weihnachtlich dekorierte Bundesamt für magische Wesen. (Foto: Klaus Maresch)

2016 kamen straßenseitig im Erdgeschoß grüne Tannengirlanden und rote Kugeln dazu. Ich finde nach wie vor, dass es sehr dezent war. Von anderer Seite fiel bereits das häßliche Wort Weihnachtskitsch. Gut, diese andere Seite, mit der ich verheiratet bin, predigt frei nach Adolf Loos auch, dass Ornament Mord sei und Bauhaus in seiner Nüchternheit das Nonplusultra architektonischen Schaffens darstelle, aber was weiß mein Ehemann, sonst der beste von allen schon? Eben. Nix!

Mustafa begann also, auf mich abzufärben. Oder er weckte eine schon schlummernde Infektion. Diese Infektion heißt Weihnachtsdekoration, ist unheilbar und entwickelt sich weiter. Aber sie geht auch einher mit dem Thema “Licht in die Dunkelheit” bringen.

Übrigens hat Mustafa sich – und das paßt parallel sehr gut zu der Gesamtentwicklung – super gemacht. Wir sind stolz auf ihn und sehr glücklich darüber, dass wir einen kleinen Teil dazu beigesteuert haben. Das Allermeiste hat er selbst geleistet. Er ist längst aus der Betreuung des Jobcenters entlassen worden, hat einen Job gefunden und ein dauerndes Bleiberecht mit Perspektive auf die deutsche Staatsbürgerschaft. Aus einem verängstigen Jungen, der kaum einen Ton herausbekam, ist ein selbstbewußter Mittzwanziger geworden, der genauso drauf ist, wie man mit Mitte Zwanzig drauf sein sollte. Ein bißchen Blödsinn im Kopf, gelegentlich Party, ansonsten lernen und arbeiten, um sich ein Leben aufzubauen. Sollte es anders sein?

2016 auf dem Weihnachtsmarkt Bonn

Eine Erfahrung haben wir wegen ihm gemacht. Wir hätten gern darauf verzichtet. Eines Tages kam er 2016 zu uns an den Stand auf den Weihnachtsmarkt Bonn und präsentierte voller Stolz sein Sprachzertifikat. Voller Stolz und das zu Recht, er hatte als Ergebnis wochenlangen Lernens die Prüfung super bestanden.

Eine Kundin sagte ihm daraufhin ins Gesicht, Angela Merkel hätte seinerzeit Soldaten an die Grenze schicken sollen, ein paar Maschinengewehrsalven drauf und dann wäre sowas wie er gar nicht erst hier. Er hat sich die Auseinandersetzung mit diesen menschenverachtenden Äußerungen nicht angetan und ist gegangen. Ich hingegen musste mir von dieser Kundin dann auch noch Sätze anhören, in denen Begriffe wie „Adolf“, „Lager“ und “Gas“ vorkamen.

Dann nahm ich ihr die Bienenwachskerzen und den Honig ab, die sie bei uns hatte kaufen wollen, und sagte ihr, dass ich auf Kunden wie sie gern verzichten würde.

Es fiel daraufhin ein Satz, der mich beinahe alles hätte vergessen lassen, was Erziehung, Zivilisation und Kultur ausmacht.

„Wenn man als anständige Deutsche seine Meinung sagt, wird man schon so behandelt wie die Juden im Dritten Reich.“

So sagte sie das und ich dachte, ich höre nicht recht. Meine Antwort an sie war, dass wir beide ein Problem bekämen, wenn sie nicht verschwände. Sie ein gesundheitliches Problem und ich ein juristisches, denn das, was mir vorschwebte, um diesen personifizierten und unerträglichen Haß zum Schweigen zu bringen, das wäre böse ausgegangen. Glauben Sie mir einfach mal, dass ich nicht zu Gewalt neige und es vorher anders probiert habe. Mit Argumenten, mit Höflichkeit – aber ich habe seitdem die Erfahrung gemacht, dass mit diesen rechten Haßpredigern, dieser völkischen Nazi-Brut, den Fans der rechtsextremistischen AfD, nicht zu reden ist.

Glücklicherweise ging sie, mein Partner kam und schickte mich in den PizzaHut. Dort brauchte ich zwei Stunden, um mich wieder zu beruhigen. Mir war übel, ich habe mich fast übergeben, auch aus Ekel davor, von dieser rechten Haßpredigerin aus dem AfD-Milieu soweit getrieben worden zu sein. Ich werde das nie vergessen und denke dann immer an das Positive, was wir mit unseren beiden Jungs sowie aus der Nachbarschaft erlebt haben und auch jetzt erleben.

Es ist auch ein Ansporn für meinen Mann und mich, dem völkischen AfDreckspack mit seiner Haßpropaganda Paroli zu bieten. Mit allem, was wir haben und sind. Und wir würden wieder so handeln, in Kenntnis all dessen, was uns an Haß über die Socials erreichte incl. der Einbrüche in unseren Imkereibetrieb.

Heißer Tipp i.S. Weihnachtshaus und Weihnachtsdekoration

Zurück zum eigentlichen Thema Weihnachtsdekoration, was aber so gesehen immer noch mit unseren beiden Jungs zu tun hat. Wir haben eben auch Einbrüche im Betrieb mit Hakenkreuzschmierereien erlebt, was letztendlich dazu führte, dass wir 2016 unsere Bioland Imkerei Honighäuschen schlossen. Und nach fragwürdigen Entscheidungen des Marktamtes Bonn, des schlampigsten Marktamtes ever on Earth, nehmen wir auch nicht mehr am Weihnachtsmarkt Bonn teil. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ein Vorhang aus LED-Lichterketten sowie goldenen und roten Weihnachtskugeln - Weihnachtsdekoration für das BAfmW-Weihnachtshaus (Foto: Klaus Maresch)
Ein Vorhang aus LED-Lichterketten sowie goldenen und roten Weihnachtskugeln – Weihnachtsdekoration für das BAfmW-Weihnachtshaus (Foto: Klaus Maresch)

Mittlerweile schreiben wir 2019 und von Barbara Frommann, die für uns fotografiert, bekam ich einen heißen Tipp. Der Tipp heißt Tuincentrum Leurs und ist gleichzeitig ein Albtraum und ein Paradies. Ein Albtraum für Puristen wie meinen nüchternen Ehemann und ein Paradies für Fans von Weihnachtshäusern, Weihnachtskitsch und Weihnachtsdeko. Also für Mustafa und mich. Leurs ist ein riesiges Center in Venlo, normalerweise für Gartenbedarf, aber im September wird umgebaut und dann steht Weihnachten auf dem Plan.

Barbara meinte zu mir, da müßten wir hin. Der beste Ehemann von allen wurde mit Verweis auf eine bevorstehende kulturelle Bereicherung an einem unbekannten Ziel ins Auto gelockt und an einem Sonntagnachmittag fuhren wir hin. Es war natürlich brechend voll und reichte nur für einen Marsch einmal durch alle Hallen. Die Massen schoben sich durch die Hallen.

Jawohl Hallen, es sind Hallen, die jeweils einem Dekostil gewidmet sind. Natürlich immer unter der Überschrift Weihnachten.

Weihnachtsdekoration im Eingangsbereich des Bundesamtes für magische Wesen. Aber da geht noch was … (Foto: Klaus Maresch)
Weihnachtsdekoration im Eingangsbereich des Bundesamtes für magische Wesen. Aber da geht noch was … (Foto: Klaus Maresch)

Im Eingangsbereich geht es um eher eisige und winterliche Motive, da herrschen die Farben Weiß und Blau vor. Schneeflocken imitierende und an einer Schnur aufgereihte Kügelchen und natürlich Weihnachtskugeln in Silber und Weiß. Dazwischen diverses Spielzeug mit LEDs, es ist so kitschig, dass es schon wieder fast Kult ist.

“Ist das nicht schön?” – “Ja, das ist nicht schön!”

Sie können sich denken, dass mein Mann litt. Ungefähr so wie ein Fan von Horrorfilmen mit Vampiren leidet, der gezwungen ist, Twilight anzusehen. Aber da mußte er durch. Durch alle Hallen, durch die Halle mit den singenden Pinguinen, durch die Halle in Plüsch und Pink mit den rosafarbenen Nußknackern, durch die Weihnachtshalle in Rot und Blau, ebenso wie durch Weihnachtsdeko, die sehr amerikanisch gehalten ist.

Und es war ihm anzusehen, dass er schon wußte, was auf ihn und unser Haus in den nächsten Jahren zukommen wird. Meine Frage, ob das nicht schön sei, wurde dann auch mit einem trockenen “Ja, das ist nicht schön!” beantwortet! Tja, so ist er, der beste Ehemann von allen.

Der Besuch bei Leurs war sehr inspirierend, was die künftige weihnachtliche Dekoration unseres Hauses betrifft.

Mittlerweile haben wir begonnen, den Innenhof unseres Hauses zu dekorieren. Weitere 20 Lichterketten mit jeweils 1000 LEDs wurden installiert, und unser Haus- und Hofelektriker EHG Hönighausen hat uns Trafos für die zahlreichen Lichterketten gebaut. Übrigens laufen bei uns Zeitschaltuhren, so dass die Lichter nur am Abend und frühmorgens leuchten.

Ich war noch mehrfach bei Leurs, einmal mit Barbara Frommann und zuletzt mit Mustafa. Beim Besuch der Dekoabteilung von Obi, und das war 2015, hatte er schon große Augen gemacht. Jetzt, vier Jahre später, stürmte er von einer Halle in die nächste und quietschte vor Begeisterung. Mit leuchtenden Augen sah er sich alles an und genoss es. Machte Vorschläge, wie wir unser Haus dekorieren könnten.

Und so gesehen, trägt Mustafa eine gewisse Mitverantwortung dafür, dass aus dem ehemaligen Postamt von Graurheindorf im Norden von Bonn etwas geworden ist, dass ein wenig dazu beitragen will, dass Licht in die Dunkelheit kommt. In jeder Hinsicht.

Klaus Maresch

Klaus Maresch, von 1982 bis 2016 als Imker tätig, lebt mit Mann und Katzen und zahlreichen Bienen in Bonn. Nahm jahrelang am Bonner Weihnachtsmarkt mit dem Honighäuschen teil und schreibt seit 2012 nebenher unter dem Pseudonym Hagen Ulrich Fantasyromane für junge Erwachsene. Dem Weihnachtsmarkt Bonn virtuell mit diesem Portal verbunden und immer auch noch beratend tätig, wenn es im Großraum Bonn Probleme mit Bienen, Wespen und Hornissen gibt.

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